Rheinsche Post vom 06.07.2023

Langenfeld · In unserer Serie Plätze macht der kleine gemütliche Platz in Richrath eine Ausnahme. Die ihn einrahmenden Häuser stehen unter Denkmalschutz. Und schon damals war genug Grün ein Thema.

Foto: Matzerath, Ralph (rm-)

Martinplatz

von Isabel Klaas

Der Martinplatz ist aus der Zeit gefallen. Charmant aus der Zeit gefallen. Wo findet man sonst noch Teppichstangen vor dem Haus oder gespannte Wäscheleinen, Wiesen und alte Bäume, die zurzeit angenehmen Schatten spenden? Der Martinplatz glänzt nicht mit Modeboutiquen, moderner Pflasterung und coolen Cafés. Er wirft ein Schlaglicht auf die 1950er Jahre. Historisch interessant sind besonders die zweigeschossigen Mehrfamilienhäuser, die Nostalgie und Gemütlichkeit ausstrahlen.

Maria Koch (82) wohnt seit 40 Jahren in einem dieser Häuser des Bauvereins Langenfeld, zwar nicht direkt am Martinplatz, aber in unmittelbarer Nähe an der Richrather Straße. 58 Quadratmeter ist ihre Wohnung groß oder sollte man lieber sagen: klein? Zeitweilig hat sie sie sogar mit zwei größeren Kindern bewohnt. Unzufriedenheit ist ein Fremdwort für diese agile alte Dame – ganz besonders, wenn es um ihre Wohnsituation geht. „Hier weg will ich auf gar keinen Fall“, sagt sie selbstbewusst. „Es ist alles fast noch wie früher, und das ist einfach schön.“

Das Doppelhaus, in dem sie lebt, mit drei Eingängen und 18 Wohnungen, wird bald saniert. „Da kriegen wir neue größere Bäder und Duschen“, sagt sie erwartungsfroh. Sie zieht dann ins Erdgeschoss und freut sich schon auf die Terrassentür direkt zum kleinen Garten, in dem sie meist Nachbarn trifft. Die seien alle ganz wunderbar, versichert sie, egal, welche Hautfarbe sie hätten. Alles passt. Bis vor zehn Jahren sei sie noch Auto gefahren. Jetzt nutze sie den Bus, der direkt vor der Tür abfährt. „Und das ist super praktisch“, freut sie sich.

Schon damals ging es dem Architekten Heinrich Rotterdam darum mit der Siedlung rund um den Martinplatz Mehrfamilienhäuser in einem parkähnlichen Gelände zu schaffen. Rotterdam legte Wert darauf, die Qualität des Wohnumfeldes durch gut platziertes Grün zu heben, heißt es in der gutachterlichen Stellungnahme zum Denkmalwert der Siedlung.

Der Bauverein sorgte mit seiner Bautätigkeit nach dem Krieg für dringend notwendigen, günstigen Wohnraum an der Jahnstraße, dem Martinplatz, der Martinstraße, der Querstraße sowie der Richrather und der Langforter Straße. Die Gebäude wurden aus Schwemmstein gemauert und mit Trierer Kalkmörtel verputzt. Laut Denkmalschutz sind die alten Häuser der Martinsiedlung noch immer in einem guten Originalzustand. Gelobt werden die original hölzernen Schlagläden im Erdgeschoss, Originaltüren und -Bedachungen sowie Laternen. Wolfgang Paumen vom Bauverein sieht den historischen Wert etwas kritischer. Es sei sehr schwer, die denkmalgeschützten, historischen Gebäude energetisch zu sanieren, sagt er. „Man darf fast gar nichts, und unsere Mieter müssen schließlich für die höheren Energiekosten aufkommen.“

Immerhin wurden die ehemals sehr kleinen Wohnungen 1970 teilweise zusammengelegt und so vergrößert. Von den ehemals vier Ladenlokalen am Martinplatz gibt es immer noch zwei und immer noch prägt eine so genannte korbbogige Durchfahrt an der Martinstraße das Bild.

Nur wenige wissen, dass dieser bescheidene Mehrfamilienhaus-Bau im Martinviertel vom berühmten französischen Architekten Le Corbusier und seiner Charta von Athen, einem städtebaulichen Manifest von 1933, beeinflusst ist. An der Planung und Gestaltung der Siedlung am Martinplatz war der später überregional bekannte Architekt Bernhard Rotterdam beteiligt. Auflockerung und Weitläufigkeit sowie Einbindung in die Natur standen damals im Vordergrund und wurden so von Rotterdam übernommen.

In der gutachterlichen Stellungnahme zum Denkmalwert der Langenfelder Siedlung im Jahr 1996 heißt es unter anderem: Das Wohnungsprogramm rund um den Martinplatz habe damals im Zeichen des Wiederaufbaus der Stadt nach der Kriegszerstörung gestanden. Die Siedlung sei somit verbunden mit der neueren Architekturgeschichte sowie der allgemeinen Neuorientierung nach 1945.

Quelle: Rheinische Post

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